Gesunde Führung - keine Frage des Ob, sondern des Wie
Unternehmen, die ihre Arbeitsplätze gesundheitsgerecht gestalten und „gesund führen“, können die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten steigern und Personalkosten reduzieren. Diese Effekte entstehen jedoch nicht zwangsläufig, wenn Betriebe in Gesundheit investieren – es kommt auf das Wie an.
Autor
Dr. Stefan Paul Werum, M. Sc. (Management),
Geschäftsführer OPIMIUS
Co-Autorin: Silke Huneke, M. Sc. (Management),
Senior Consultant OPIMIUS
„Ungesunde“ Mitarbeiter verursachen Kosten
Die Kosten, die durch „ungesunde“ Mitarbeiter entstehen können, sind vielfältig: Nicht nur die Fehlzeiten der Mitarbeiter haben ihren Preis, sondern auch die Anwesenheit kranker Beschäftigter am Arbeitsplatz – der so genannte Präsentismus. Deshalb macht es Sinn, dass Unternehmen Geld für die Gesundheit ihrer Belegschaft ausgeben. Unveröffentlichte Erhebungen von Unternehmensberatungen zeigen, dass jeder in die Gesundheit der Mitarbeiter investierte Euro innerhalb von drei Jahren einen Kostenvorteil von bis zu drei Euro erzielen kann – aber nicht muss.
Viele Betriebe setzen bei ihrer Gesundheitsfürsorge bisher ausschließlich auf Arbeits- und Gesundheitsschutzbestimmungen und versuchen mit daraus abgeleiteten Präventivmaßnahmen zur Gesundheitsverbesserung lediglich Fehlzeiten und Unfallstatistiken zu steuern. Die mittlerweile bekannten Treiber, um die Gesundheit der Beschäftigten langfristig zu erhalten, sind hingegen häufig ein Tabu. Das Management steuert sie jedenfalls nur selten offensiv. Der Grund: Diese Treiber lassen sich nicht statistisch und nur annähernd qualitativ erfassen. Neuere Studien (unter anderem Badura 2010 und 2011,) definieren sie mit dem Begriff Wohlempfinden bei und in der Arbeit.
Die drei Treiber betrieblicher Gesundheit
Wann aber fühlen sich Beschäftigte bei und in ihrer Arbeit wohl?
Erstens, wenn ihnen die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit auch im Alltagsgeschäft ständig bewusst ist.
Zweitens, wenn die kollegiale Einbindung so ausgeprägt ist, dass Beschäftigte sicher sein können, jederzeit Unterstützung von ihren Kollegen zu erhalten.
Drittens, wenn darüber hinausgehend ein Gefühl der Geborgenheit in der betrieblichen Gemeinschaft vorherrscht – das soziale Klima also positiv ausgeprägt ist.
Gesunde Führung als Bestandteil des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Das Wohlempfinden allein reicht aber auch noch nicht aus, um dauerhaft psychische Belastungen zu reduzieren und damit Gesundheit zu erhalten und zu fördern. Unterschiedliche Studien haben darauf hingewiesen, dass die Führungskräfte zudem ihre Mitarbeiter akzeptieren müssen, (zum Beispiel Colquitt 2001).
Diese Erkenntnis steht in unmittelbarem Gegensatz zur betrieblichen Realität in Deutschland und im Ausland: Den neuesten Daten der Gallup-Umfrage zufolge fühlen sich 86 Prozent der Beschäftigten mit ihrem Unternehmen nicht oder nur gering verbunden – das heißt, Führungskräfte vermitteln die Sinnhaftigkeit der Aufgaben nicht hinreichend. 98 Prozent der Beschäftigten, die sich nicht mit dem Unternehmen verbunden fühlen, fällen folglich ein negatives Urteil über ihre Führungskräfte. Mehr als zwei Drittel machen vor diesem Hintergrund „Dienst nach Vorschrift“, ein weiteres Fünftel hat bereits „innerlich gekündigt“.
Mit nur 13 Prozent engagierten Leistungsträgern, die sich mit ihrer Aufgabe und ihrem Unternehmen identifizieren, wird kaum ein Arbeitgeber auf Dauer erfolgreich am Markt partizipieren, wenn er nicht gegensteuert. Hinzu kommt, dass die Kosten für Präsentismus in vielen Unternehmen schon die Hürde von 10 Prozent am Umsatz überschritten haben. Eine gute – gesunde – Führung ist somit nicht nur ein Kostenfaktor, sondern auch Voraussetzung dafür, Beschäftigte langfristig an ihr Unternehmen zu binden.
Gesunde Führung: noch Motivator oder schon Hygienefaktor?
Seien wir ehrlich: Neu ist diese Erkenntnis nicht wirklich. Schon in den 1950er Jahren des vorherigen Jahrhunderts hat Frederick Herzberg gemeinsam mit Bernard Mausner und Barbara Bloch Snyderman darauf hingewiesen, dass Arbeitszufriedenheit mehrdimensional ist und eine zentrale Voraussetzung dafür darstellt, dass Mitarbeiter die gewünschten Leistungen erbringen können. In ihrer Theorie definieren die Autoren zwei Dimensionen, die Zufriedenheit bedingen: So genannte „Hygienefaktoren“ wie die Bezahlung, Kollegenbeziehungen, formaler Führungsstil, Firmenpolitik, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit, die bestenfalls die Unzufriedenheit der Mitarbeiter verhindern, aber keine Zufriedenheit herstellen könnten. Dafür seien Motivatoren wie Leistungserfolg, Anerkennung, Arbeitsinhalt, Verantwortung, Beförderung oder Entfaltungsmöglichkeiten als intrinsische Faktoren entscheidend.
Aufbauend auf dieser Zwei-Faktoren-Theorie haben neuere Studien vor wenigen Jahren bestätigt (siehe dazu beispielsweise Hinweise bei Weibler 2012), dass beide Dimensionen nach wie vor ausschlaggebend für die Zufriedenheit und damit die Leistungsbereitschaft und Bindung von Beschäftigten an ihr Unternehmen sind. Mit anderen Worten: Um zumindest Demotivation und damit einhergehende seelische Belastungen zu vermeiden, müssen Hygienefaktoren positiv belegt sein. Die damit verbundene Abwesenheit von Unzufriedenheit ist allerdings nicht ausreichend, Mitarbeiter außerordentlich zu motivieren. Um Zufriedenheit mit der Arbeit und dem Arbeitgeber und damit seelisches Wohlbefinden zu erreichen, müssen Personalmanager mit Führungsinstrumenten Motivatoren aktivieren. Können diese eine positive Wirkung entfalten, verschafft sich der Arbeitgeber gegenüber Wettbewerbern eine höhere Arbeitgeberattraktivität und finanzielle Vorteile.
Wohlempfinden und das damit unmittelbar verknüpfte Bedürfnis nach gesunder – und guter – Führung sind die Voraussetzung dafür, Mitarbeiter auf Dauer für leistungsfähig und leistungsbereit zu machen.
Gesunde Führung als Standardmodul der betrieblichen Weiterbildungsplanung
Damit Führungskräfte positiv auf die betrieblichen Treiber Wohlempfinden, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit einwirken, bedarf es spezieller Instrumente. Dazu gehört vor allem, dass Personalentwickler Führungskräfte für das Thema sensibilisieren.
In einem ersten Schritt sollten Führungskräfte in Trainings den Zusammenhang zwischen Führung und Gesundheit verstehen lernen, um ihren Einfluss auf die eigene gesunde Arbeitsweise und auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu erkennen.
Unumgänglich ist dabei in einem zweiten Schritt, dass Führungskräfte ihre Vorbildfunktion für die Mitarbeiter in Bezug auf gesundheitsfördernde Unternehmenswerte, soziale Unterstützung, ein positives Sozialklima und ein entsprechendes Gesundheitsverhalten annehmen. Dies setzt unmittelbar voraus, dass das Management so verstandene gesunde Führung als Handlungsrichtlinie der Führungskräfte definiert.
Daran anknüpfend benötigen Führungskräfte in einem dritten Schritt das Know-how, wie sie durch ihren Führungsstil, die Steuerung der Arbeitsbedingungen und durch ihr Kommunikationsverhalten die Gesundheitsbilanz von sich selbst und von ihren Mitarbeitern positiv beeinflussen können.
Gesunde Führung als Wettbewerbsvorteil im Wettstreit um die besten Köpfe
Große Unternehmen wie Unilever haben schon vor einiger Zeit erkannt, dass sie dauerhaft nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie dem Verlust von mehr als 10 Prozent der Arbeitsleistung durch „seelische Erkrankungen“, die im Unternehmen als Hauptursache für den Präsentismus ausgemacht wurden, endlich Herr werden. Seien wir realistisch: Schon mit dem Ergebnis, entsprechende Verluste der Arbeitsleistung um die Hälfte zu reduzieren, verschafften sich Unternehmen beim „Kampf um die besten Köpfe“ eine bessere Ausgangsposition. Gesunde Führung sollte daher zum integralen Bestandteil von Personalmanagement werden.
Literaturtipps
Badura, Ducki, Schröder, Klose, Macco: Fehlzeiten-Report: Führung und Gesundheit
Jürgen Weibler: Personalführung
Colquitt, J. A.: On the dimensionality of organizational justice: A construct validation of a measure. Journal of Applied Psychology, 86, 386-400.
Herzberg, Frederick u.a.: The Motivation to Work